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“Tätigwerden” von Beschäftigten mehrerer Arbeitgeber auf Baustellen

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Die Verpflichtung zur Aufstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans ist nicht von der Frage abhängig, ob die Beschäftigten mehrerer Arbeitgeber gleichzeitig oder nacheinander auf einer Baustelle mit gefährlichen Arbeiten gem. § 2 Abs. 3 BaustellV tätig werden.

Die Verpflichtung zur Aufstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan trifft gem. § 4 i. V. m. § 2 Abs. 3 BaustellV den Bauherrn. Bauherr ist diejenige natürliche oder juristische Person, für deren Rechnung, auf deren Veranlassung und in deren Verantwortung eine Baumaßnahme vorbereitet und durchgeführt wird (OLG Hamm, Beschl. v. 09.08.2006 – 1 Ss OWi 417/06). Bei einer Gesellschaft als Bauherr ist deren Geschäftsführer gem. § 114 HGB Normadressat der sich aus der Baustellenverordnung ergebenden Verpflichtungen des Bauherrn, § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Dabei umfasst der Begriff des “Handelns” sowohl positives Tun als auch pflichtwidriges Unterlassen (vgl. Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 9 Rz. 14).

Die Übertragung dieser Aufgaben auf einen Dritten, etwa den Architekten, lässt § 4 BaustellV als Spezialregelung über § 9 Abs. 2 OWiG hinaus grundsätzlich zu (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 05.05.2003, 2 SsOWi 46/03).

Die aufgrund der Ermächtigungsgrundlage des § 19 Arbeitsplatzschutzgesetz erlassene Baustellenverordnung stellt einen besonderen Teil des Arbeitsschutzgesetzes dar. Sie beruht auf den von der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 118a EWG-Vertrag erlassenen speziellen Richtlinien zum betrieblichen Arbeitsschutz auf Baustellen. Mit dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan soll den besonderen Gefahren entgegengewirkt werden, die entweder aufgrund der Größe bzw. des Umfangs (§ 2 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. BaustellV) oder der besonderen Gefahrenlagen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. BaustellV) drohen. In solchen Fällen ist eine Planung erforderlich, um Gefahren aufgrund mangelhafter Abstimmung zu vermeiden. Solche Gefahren können sowohl bei gleichzeitigen als auch bei aufeinander folgenden Arbeiten auf einer Baustelle auftreten.

Dies spiegelt sich auch in den Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen (RAB). Die RAB bilden den amtlichen Stand der Interpretation der Baustellenverordnung ab. Sie werden regelmäßig von einem Ausschuss des Bundesarbeitsministeriums verfasst und überprüft (vgl. Kollmer, Kommentar zur Baustellenverordnung, 2. Aufl., Einf. zu den RAB).

Nach Nr. 12 RAB 10 liegt ein Tätigwerden von Beschäftigten mehrerer Arbeitgeber dann vor, wenn Beschäftige von mindestens zwei Arbeitgebern gleichzeitig oder nacheinander auf der Baustelle Arbeiten verrichten. Dies gilt nur dann nicht, wenn der zeitliche Abstand zwischen dem Tätigwerden der Beschäftigen einzelner Arbeitgeber so groß ist, dass nach einer Baustellenräumung eine erneute Einrichtung der Baustelle vorgenommen werde, oder wenn ausschließlich kontrollierende oder kooperierende Tätigkeiten ausgeführt werden. Beide Ausnahmen liegen hier nicht vor.

Für die Einbeziehung der Gerüstbauarbeiten spricht auch RAB 31, worin die Anforderung an den Inhalt und die Form eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans beschrieben werden. Unter Nr. 3.2. – inhaltliche Mindestanforderungen – wird zum Arbeitsablauf als Grundelement des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes dargelegt, dieser sollte nach Gewerken gegliedert werden. Die Ermittlung und Benennung der Gewerke solle sich an VOB Teil C ATV DIN 18300 ff. anlehnen. Darin finden sich unter DIN 18363 die Maler- und Lackierarbeiten und in DIN 18451 die Gerüstarbeiten.

§ 2 Abs. 1 BaustellV und den erläuternden Vorschriften ist also zu entnehmen, dass der Normgeber auch die Einteilung von Arbeiten, die nacheinander durchgeführt werden, als gefahrenträchtig ansieht; Koordinierungsbedarf durch einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan besteht auch für diesem Fall (ebenso die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, vgl. Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 06.02.2013, 22 CS 13.53, und VG Augsburg, Beschl. v. 05.12.2012, Au 5 S 12.1221, jeweils zitiert nach juris). Soweit die Kommentierung von Kollmer (a.a.O. § 2 BaustellV Rdnr. 106) einen Plan für entbehrlich hält, wenn die Beschäftigten mehrerer Arbeitgeber nacheinander und nicht “über Kreuz” tätig sind, begründet sie diese Auffassung nicht und setzt sich insbesondere nicht mit den anderslautenden Regeln in Nr. 12 RAB auseinander. Letztlich wäre aber auch nach dieser Auffassung ein Plan aufzustellen gewesen, weil Gerüstbauer und Maler “über Kreuz” tätig waren.

Im vorliegenden Fall bejaht das Gericht auch die Fahrlässigkeit des Betroffenen, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht hat walten lassen. Soweit er sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 11 Abs. 2 OWiG) beruft, haben ihm ausreichend Informationsquellen zur Verfügung gestanden, um seiner Erkundigungspflicht nachzukommen. Auf einen Irrtum des ausführenden Architekten kommt es bereits deshalb nicht an, weil die Verantwortlichkeit für das Bauvorhaben nicht auf den Architekten übertragen war.

Auch die Tatsache, dass die nach § 22 ArbSchG zuständige Behörde keine Anordnung zur Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsplanes getroffen hat, entlastet ihn nicht. § 22 ArbSchG eröffnet der Behörde die Möglichkeit, verantwortlichen Personen ggfls. unter Fristsetzung vorzugeben, welche bislang unterlassenen Maßnahmen noch durchzuführen sind. § 22 ArbSchG verpflichtet die Behörde aber nicht zu einer solchen Anordnung, zumal sie in der Praxis auch nicht die Möglichkeit hat, jedem Verstoß gegen Vorschriften des Arbeitsschutzrechtes nachzugehen. Für die Verantwortlichkeit des Bauherrn nach § 4 BaustellV ist es deshalb ohne Bedeutung, ob die Behörde hätte eingreifen können.

Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 18. September 2013 – 322 SsRs 203/13


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